Bereits im Dezember letzten Jahres hatten wir die Möglichkeit das ehemalige „Gym“ der Graz Giants in der Merangasse zu fotografieren, und dies kurz bevor die Footballer in ein neues Gym umgezogen sind. Nun galt es das neue „Gym“ zu fotografieren. Hier ein paar Worte über die Entstehung der Bilderstrecke:

 

Im neuen Gym der Thalheim Graz Giants

 

Räumlichkeiten in Gebäuden sind Architektur und daher gelten bei der bildlichen Präsentation eines Raumes, wie auch bei einem ganzen Gebäude die Anforderungen der Architektur. Das bedeutet, dass in der grafischen Darstellung die Horizontlinie waagrecht sein muss, die rechten Winkel auch wirkliche rechte Winkel sein müssen und senkrechte Linien wirklich senkrecht zu sein haben. Abweichungen von nur 1° werden in der Architektur nicht toleriert. Und was für die Architektin oder den Architekten gilt, das gilt genauso auch in der Architekturfotografie. Und das nicht nur heute, sondern schon immer.

Exakt senkrecht ausgerichtete Linien durch den Einsatz eines Tilt-Shift-Objektives

 

Um Kameras wirklich horizontal auszurichten, und das nicht nur quer zur fotografischen Achse, sondern auch in Richtung der fotografischen Achse, erfordert es ein Stativ und einen Stativkopf, der ein feines Ausrichten der Kamera ermöglicht und es erfordert eine Wasserwaage, mit der die Kamera ausgerichtet werden kann. Viele Kameras haben Wasserwaagen bereits eingebaut.

Architekturfotografie erfordert ein stabiles Stativ und um Verwackler während des Auslösens zu vermeiden wird ein Fernauslöser verwendet.

 

Vor allem das entlang der fotografischen Achse horizontale Ausrichten ist dafür verantwortlich, dass es keine sogenannten stürzenden Linien gibt, oder anders ausgedrückt, dass die senkrechten vertikalen Linien einer Architektur, also Elemente wie die Mauerecken, Türen und Fenster, auch wirklich senkrecht sind. Kippt man nämlich die Kamera nach oben, so verlaufen senkrechte Linien nicht mehr senkrecht, sondern laufen nach oben spitz zusammen und der Betrachter hat den Eindruck, dass die Gebäude nach hinten kippen. Diesen Effekt kennt jeder Städtetourist, der vor einem hohen Gebäude steht und nach oben fotografiert.

Mit dem Gym-Wart und Spieler der Thalheim Graz Giants Christoph Kohler vor der Kamera: zum Ausrichten der Kamera wird ein 3-Wege-Neiger verwendet.

 

Jetzt mag die eine oder der eine vielleicht sagen, ja wenn ich meine Kamera horizontal ausrichte, dann bekomme ich mein Motiv ja nicht ins Bild. Unten wird zu viel Boden sein, oben ist das eigentliche Motiv abgeschnitten. Ja, das ist absolut richtig. Und genau das ist der Grund, warum in der Architektur-Fotografie sogenannte Tilt-Shift-Objektive eingesetzt werden, denn diese Objektive erlauben ein Verschieben oder auch „shiften“ des Objektives nach oben oder auch unten, oder anders gesagt, das Objektiv greift das Motiv durch das nach oben schieben weiter oben ab. Auf diese Art und Weise rutscht das Motiv dann wieder voll ins Bild und das mit korrekt ausgerichteten senkrechten Linien.

Um das Motiv, wie gewünscht, fotografieren zu können wurde die Optik nach unten „geshiftet“.

 

Tilt-Shift-Objektive fallen bereits beim Betrachten durch ihre Bauart auf, haben sie 2 Drehknöpfe am Objektiv. Der dem Kameragehäuse näher Drehknopf dient zum nach oben und unten schieben der Linsen und das ist der Knopf an dem wir in unserem Fall drehen müssen. Der vordere Drehknopf dient zum Verdrehen oder Schwenken der Linsen. Dieser seltsam anmutende Mechanismus dient zum Erzeugen von schrägen Schärfeebenen, was sehr stark in der professionellen Werbe- und Objektfotografie eingesetzt wird. In der Architekturfotografie wird das Schwenken oder „Tilten“ nicht verwendet. Tilt-Shift-Objektive haben darüber hinaus keinen Autofokus.

24 mm Tilt-Shift-Objektiv mit den 2 Drehknöpfen zum Verschieben und zum Schwenken: Die Optik wurde mit Hilfe des „Shifts“ nach unten geschoben.

 

Nur wenige der Kamerahersteller bieten heute noch Tilt-Shift-Objektive an, erfordert ihre Bedienung Erfahrung und fotografisches Wissen, Wissen, das heute mehr und mehr verloren geht. Wir hatten während unserer fotografischen Ausbildung noch gelernt mit diesen „einstigen“ großformatigen sogenannten Fachkameras zu fotografieren, diese funktionieren nach dem Prinzip der Tilt-Shift-Objektive. Und betrachtet man beispielsweise alte Architekturaufnahmen, wo ausnahmslos Kameras mit dem „Tilt-Shift-Prinzip“ verwendet wurden – diese Aufnahmen sind alle sehr gut horizontal und vertikal ausgerichtet.

Architekturaufnahme aus dem Jahr 1913: Jakubská Straße in Brünn im heutigen Tschechien. Man beachte hier die sehr guten senkrechten Linien und die durchgehende Schärfe des Bildes. Der Fotograf war der bekannte Stadtfotograf von Brünn Josef Kunzfeld (1842-1915), einer unserer Vorfahren.

 

 

Inhalt und Foto: copyright by kunzfeld & kunzfeld photography