Lost Place Fotografie ist die fotografische Darstellung von verlassenen und verfallenen Orten, eine Art von Architektur- und Objektfotografie von Plätzen, die fast in sich zusammen brechen und vergessen wurden. Farblich leicht entsättigt, versucht man bei der Lost Place Fotografie nicht die Schönheit eines Objektes darzustellen, sondern seine Unvollkommenheit und seinen Verfall. Die einstige Schönheit soll man nur mehr erahnen können. Oftmals schwer zugänglich und nur mit einem Geländefahrzeug erreichbar, führte uns dieses Jahr unsere Reise durch die Berge Sardiniens und unter anderem zu einem Galmei-Bergbau, in dem Zinkspat abgebaut und aufbereitet wurde. Der Bergbau und vor allem die Aufbereitungsanlage mit dem Namen Seddas Modizzis liegt südlich von Iglesias in den Bergen von Gonessa im Südwesten Sardiniens. Ein Lost Place, der den Besucher überrascht.

 

Graffiti, Erzwaschanlage Seddas Modizzis

 

Erwaschanlage Seddas Modizzis

Das alte Wort Galmei oder früher auch Kalemin steht für eine Sammelbezeichnung von speziellen Zinkerzen. Der dem ganz gewöhnlichen Kalk oder Kalkspat ähnliche karbonatreiche Galmei oder Zinkspat wurde hier zum großen Teil im Tagbau gewonnen und nach der Anreicherung des Erzes wurde dieses „kalziniert“, ein Vorgang, wie wir ihn vom Kalkbrennen her kennen. Die Anreicherung erfolgte zuerst in einer Erzwaschanlage, von der heute noch das Gebäude besteht, seine technischen Einrichtungen jedoch fast zur Gänze demontiert wurden. Übrig geblieben sind Teile eines Absetzbeckens und seit der Schließung im Jahr 1962 haben Spraykünstler die Wandflächen für ihre Arbeiten verwendet. Die kunstvollen Werke mit ihren kräftigen Farben schmücken heute die kahlen Wände der einstigen Anlage.

 

Graffiti in der Erzwaschanlage

 

Reste eines Absetzbeckends, Seddas Modizzis

 

Über diesen Schienenstrang wurden die Grubenhunte in die Aufbereitungsanlage geschoben und entleert

 

Etwas abseits der Erz-Waschanlage befinden sich heute noch die Reste der einstigen Kalzinierungsöfen, die im späten 19. Jahrhundert im Einsatz standen. Diese Schachtöfen wurden mit Zinkspat befüllt und anfänglich mit Holz von Sträuchern aus der Umgebung und später mit Kohle befeuert. Durch die Hitze der Befeuerung begann sich der Zinkspat zu zersetzen und das Kohlendioxid des Karbonates konnte entweichen. Auf diese Weise wurde das Zinkkarbonat zu Zinkoxid umgewandelt, ein Prozess, den wir vom Kalkbrennen kennen, aber auch von den Schwefelöfen, in denen sulfidisches Erz oxidiert wurde.

 

Kalizinierungsöfen im Stil des späten 19. Jahrhunderts

 

Öffnung zur Entnahme des Zinkoxides. Einst wunderschön gearbeitete Industrie-Architektur.

Ein besonderes und sehr auffälliges Gebäude liegt etwas abseits des Galmei-Bergbaus – der Pozzo Santa Barbara oder Barbaraschacht, oder wie auf den Karten verzeichnet „Sa Maccina Beccia“ – die alte Maschine, wie sie die Sarden nennen. Das 1870 erbaute Gebäude war das Maschinenhaus des Barbaraschachtes und wirkt heute wie eine Burganlage, jedenfalls nicht wie eine Bergwerksanlage. Lediglich der hohe Schornstein lässt die Verbindung zu einer ehemaligen Industrieanlage vermuten. Im Gebäude befand sich eine Dampfmaschine, die die Winde zur Förderung des Erzes aus dem Barbaraschacht bediente.

 

Pozzo Santa Barbara – Barbaraschacht

 

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