Es war der Gewerke Johann Adam Stampfer1, der bereits im 17. Jahrhundert in der Walchen bei Öblarn im Ennstal begann nicht nur Silber und Kupfer aus den Erzen seines Bergwerkes zu schmelzen, sondern auch Kupfervitriol zu sieden. Und auch die Gewerken in den Jahrhunderten danach betrieben diese Vitriolsiederei, war Vitriol beispielsweise ein wichtiger Rohstoff zum Gerben von Leder. Diese einstige Siederei ist heute dem Verfall preisgegeben, zerstört die Gewalt des Wassers des Walchenbaches unaufhaltsam die alten Gebäudestrukturen. Wir haben nun versucht, die spärlichen Relikte dieser Vitriolsiederei fotografisch festzuhalten.

Reste des Mauerwerks der einstigen Vitriolsiederei

 

Kupfervitriol ist vielleicht einigen von uns aus der Schulzeit noch bekannt, konnte man aus dem wasserlöslichen blauen Pulver wunderschöne Kristalle züchten. In der Walchen wurde dieses „blaue Pulver“ über Jahrhunderte hinweg hergestellt und kam unter dem Namen „Adlervitriol“ in den Handel. Es wurde aber auch eine eisenreiche Variante des Vitriols gesiedet, die unter dem Namen „Salzburger Vitriol“ bekannt war und anstelle von Kupfer Eisen enthielt.

Den Walchener Herstellungsprozess des Vitriols kennen wir heute aus den Aufzeichnungen von Leopold Steinlechner2, der zwischen 1841 und 1857 den Bergbau in der Walchen leitete. Steinlechner beschrieb in seinen Aufzeichnungen, dass die im Schwefelofen gerösteten Erze in sogenannten „Laugkästen“ gelaugt wurden, bevor man diese Lauge in Bleipfannen durch Sieden konzentrierte. Im nächsten Schritt ließ man das Laugenkonzentrat in sogenannten „Läuterkästen“ absitzen, damit die Feststoffe zu Boden sinken konnten und füllte das Konzentrat in hölzerne Bottiche. Dort ließ man das entstandene Vitriol auskristallisieren. Innerhalb einer Woche wurden auf diese Weise 560 kg Kupfervitriol und 25 kg Eisenvitriol erzeugt. Diese Art der Produktion erfolgte fast ausschließlich in Sommermonaten, waren die Winter zu kalt und ließen kein Auskristallisieren zu.

Lage der historischen Schmelzanlage in der Walchen bei Öblarn3

 

Franziszeischer Kataster: 117 Schmiede, 118 Vitriolsiederei, 119 Kohlhütte, 120 Erzlager, 142 Silbertreibherd, 141 Schmelzöfen

 

Um die Lage der einstigen Vitriolsiederei zu lokalisieren, hilft die Karte des Franziszeischen Katasters4 von 1825 sehr gut, ist die Vitriolsiederei im Kataster mit der Nummer 118 beziffert. Östlich daneben bestand zu dieser Zeit die Kohlhütte (Nummer 119) und ein Erzlager (Nummer 120). Wir erkennen am Katasterplan sehr gut den Weg, der in die Walchen führte und auch heute noch führt, sowie gegenüber der Vitriolsiederei den Silbertreibherd (Nummer 142), die Schmelzöfen (Nummer 141) und den südlich davon verlaufenden Fluder. Der Silbertreibherd wurde mittlerweile vom Bergbauverein Öblarn5 restauriert, im Bereich der einstigen Kohlhütte steht heute der Walchenherrgott, die Vitriolsiederei und auch die westlich von der Vitriolsiederei liegende einstige Schmiede (Nummer 117) sind fast zur Gänze verfallen und nur mehr Mauerreste zeugen von ihrem einstigen Bestehen.

Restaurierte Anlage des Silbertreibherdes im Walchental

 

Die oberen Mauerreste der Vitriolhütte

 

Gerade was die Erhaltung der Vitriolsiederei anbelangt, ist es der Walchenbach, der heute ein massives Problem bereitet. Floss der Bach in der Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen 10 und 20 Meter von der Vitriolhütte entfernt, so fließt er heute unmittelbar unterhalb der Grundmauern vorbei. Einmal hat sich die Lage des Bachbettes verändert und zum anderen lassen massive Hochwässer und die immer wiederkehrende Schneeschmelze den Walchenbach oftmals extrem stark anschwellen, wodurch der Bereich der Grundmauern unterspült wird. Und da sich der Walchenbach auch laufend tiefer in das Gelände einschneidet, drohen die verbliebenen Mauerreste mit dem Bach zu brechen und fortgespült zu werden.

Reste des Mauerwerks der einstigen Vitriolsiederei über dem Bachbett des Walchenbaches

 

Hochwässer und Schneekatastrophen gab es allerdings schon seit jeher in der Walchen, denn so schrieb Maria Elisabeth Stampfer, die Frau des großen Gewerken Stampfer in ihrem 1679 verfassten Hausbüchl6 über Ereignisse im Jahr 1666: „ … und eine große Schneelahn hat uns auch großen Schaden getan, sieben Personen erschlagen, die Wehr weggestoßen und viele hundert Kübel Erz in einen Graben verworfen ….. Im Jahr nachher ist ein Wolkenbruch kommen, der uns auch großen Schaden getan, das Holz mitsamt seiner neugebauten Lattensäge und dem Wehr weit getragen … “.

 

Abbruchgefährdet: Reste der nördlichen Stützmauer der Vitriolsiederei

 

Die tiefen Ausschwemmungen des Walchenbaches bedrohen zwar die Gebäudestrukturen zu zerstören, haben aber auf der anderen Seite ein quasi „montan-archäolgisches“ Profil in den Boden unter der Vitriolhütte gelegt. Der Untergrund dieser einstigen Vitriolhütte ist sehr markant, findet sich dort zwangsläufig sehr viel Gesteinsmaterial, das mit Eisensulfatausblühungen und Kupfersulfatausblühungen überzogen ist. Dabei dürfte es sich neben dem eher selteneren blauen Kupfervitriol meist um das grünliche Eisenvitriol handeln. Daneben finden sich aber auch den reinen Vitriolen ähnliche Minerale wie Devellin, Langit und Posnjakit.

Ausblühungen aus Kupfer- und Eisensulfat im Bachbett unterhalb der einstigen Vitriolhütte

 

Krusten aus Kupfer- und Eisensulfat

 

Ausblühungen aus Kupfer- und Eisensulfat im Bachbett unterhalb der einstigen Vitriolhütte

 

Literatur und Quellen:

1 TREMEL, Ferdinand: Hans Adam Stampfer, ein innerösterreichisches Gewerkenleben des 17. Jahrhunderts, IN: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark, 1952, Jahrgang 43, Seiten 75 – 97

2 REDLICH, Karl: Die Walchen bei Öblarn. Ein Kiesbergbau im Ennsthal, IN: Berg- und Hüttenmännisches Jahrbuch der k. k. Bergakademie zu Leoben u. Pribram, 1903, Band 51, Heft 1, Seiten 45 f.

3 BEV – Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, Online: https://maps.bev.gv.at/#/center/14.042,47.4307/zoom/14.5

4 Franziszeischer Katasterplan: IN: digitaler Atlas der Steiermark, Online: https://gis.stmk.gv.at/wgportal/atlasmobile/map/Basiskarten/Basiskarte

5 Kupferweg Öblarn, Online: https://www.kupferweg.at/

6 STAMPFER, Maria Elisabeth: Das Hausbüchl der Stampferin, einer geborenen Dellatorin, Radmeisterin zu Vorderberg, 1697, Steiermärkisches Landesarchiv, Graz

 

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